Eine Reise nach Bellersen
(mit dieser Geschichte hab ich mal nen Schreibwettbewerb gewonnen...)
Gerade fahre ich durch einen großen Wald, denn ich bin auf dem Weg nach Bellersen. Dies ist hier das nächste Dorf. Ich werde über Nacht dort Rast machen. Gern weiterfahren möchte ich nicht, denn hier im Wald geht etwas Merkwürdiges vor!
Überall sind grausige Geräusche zu vernehmen, es raschelt in den Bäumen und Büschen, obwohl es finstere, windstille Nacht ist. Vereinzelt sind wütende, laute Schreie und unterdrücktes Stöhnen zu hören.
Ich befehle meinem Kutscher August die Pferde anzutreiben, um schneller aus diesem sonderbaren Wald heraus zu kommen. August, meine zwei Rappen und ich werden in Bellersen um Asyl bitten. Ich hoffe inständig dass uns jemand aufnimmt…
August treibt die Pferde im gestreckten Galopp durch den Wald, dass mir Hören und Sehen vergeht.
Im Dorf B. angekommen klopfe ich an eine Tür, vermutlich die eines Bauern.
Die Tür wird geöffnet. Vor uns steht ein junger Knabe, noch nicht sehr alt.
Ich trage meine Bitte vor und er lässt uns ein, die Pferde würde er später in den Stall bringen, sie mit Stroh abreiben und versorgen.
Bei einem kleinen Mahl, welches er uns gibt frage ich ihn nach den Geräuschen draußen im Wald. Er sagte, ich hätte mir all das bloß eingebildet und könne beruhigt schlafen gehen.
Ich bin hier nun in einer kleinen Dachkammer und sehe hinaus in die finstere Nacht.
Komische Menschen leben hier, seltsame Menschen. Ich habe ein ungutes Gefühl, denn…doch Moment! Was war das? Ein Ächzen? Ein Knacken?
Mich düngt, als ob jemand etwas sehr Schweres über den Boden schleifen würde… Schnell ducke ich mich und gehe in Deckung. Mord? Nein, das bilde ich mir nur ein, ich gehe zum Bett und lege mich leise hin. Knack! Schließlich siegt doch die Neugierde, schleiche zum Fenster und sehe vorsichtig hinaus. Die Mörder sollen mich nicht auch kriegen.
Nein! Ich bin schlauer! Morgen früh werde ich hier weg sein- lebend!
Das Schleifen kommt näher. Nun kann ich fünf Männer, der junge Knabe der uns mich einließ, erkennen.
Sie tragen etwas, nur kann ich nicht genau sehen was es ist.
Plötzlich reißen die Wolken am Himmel auf und der Vollmond wirft sein Licht auf das Geschehen im Dorf.
Nun kann ich auch besser sehen. Die Männer tragen keine Leiche, sondern einen Baumstamm? Die Männer sehen sehr mitgenommen aus: blaue Augen geschlagen, Kratzer im Gesicht, gereizt und angestrengt.
Der junge Knabe sieht zu meinem Fenster hinauf. Schnell ducke ich mich. Hoffentlich hat er mich nicht gesehen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher als ganz schnell aus diesem Dorf hinaus zu kommen…
So lege ich mich auf mein spärliches Lager und ich versuche nicht weiter an die übel zugerichteten Bewohner des Dorfes mit dem Baumstamm denken. Langsam dümpele ich über in einen unruhigen Schlaf…
Schweißgebadet wache ich auf, es ist schon hell draußen. Gehetzt springe ich auf, kleide mich geschwind an und gehe eilig in die Kammer Augusts. Dieser liegt noch warm in den Daunen und schläft. Ich rüttele ihn wach und verlange von meinem sonst so zuverlässigen Kutscher, er solle in den Stall laufen und die Kutsche bereit machen. Wir wollen fahren.
Ich gehe hinunter in die Küche, um dem Knaben zu erzählen, wir würden uns nun verabschieden und uns für seine Gastfreundschaft zu bedanken.
Er sitzt am Fenster mit zurückgelehntem Kopf und ein großes Steak auf seinem linken Auge ruhend.
Neugierig, wie ich bin, frage ich ganz unverschämt nach dem Grund für seine Verletzung.
Er sieht mich forschend an und meint dann jedoch, er sei im Dunklen gegen die Töpfe, die von der Decke hängen, gestoßen. Ich glaube ihm kein Wort. Gerade möchte ich etwas erwidern, als mein Kutscher August pfeift und damit verlauten lässt, dass wir bereit zur Abfahrt sind.
Ich betrete den Hof vor dem Haus, sehe auf den Boden und entdecke eine lange Schleifspur. Es lässt mich frösteln.
Wind ist aufgekommen, es regnet leicht und es liegt eine komische Stille über dem Dorf.
Weiter darüber nachdenken möchte ich nicht, denn es macht mir Angst. Schnell steige ich in die Kutsche, im langsamen Schritt geht es durch das kleine Dörfchen Bellersen nach Hause.
Eigentlich wollte ich die See sehen, doch die Lust ist mir vergangen. Ich sehe aus dem Fenster meiner Kutsche und erblicke Menschen. Glückliche Menschen? Nein, ich täusche mich bestimmt. Ich reibe mir die Augen und sehe erneut hinaus.
Getäuscht habe ich mich nicht. Die Menschen sind tatsächlich glücklich, trotz der Sache gestern Abend, ich meine die Verletzungen, die Schreie und heute das miese Wetter.
Dort steht ein Mann mit seiner Frau, zwei Kindern und allem Anschein nach ein etwas jüngerer Bruder von ihm. Sie haben Verbände um die Köpfe geschlungen, eine Hand ist verbunden und sie sehen sehr mitgenommen aus. Der Mann winkt mir zu. Meint er mich? Er winkt mich zu sich. Doch ich sage meinem August, er solle die Pferde antreiben, fort aus diesem Dorf.
Es führen nur zwei Wege aus Bellersen hinaus, der Eine zur See und der Andere auf dem wir gekommen sind.
Also geht es auf dem gleichen Wege zurück.
Mitten im Wald wird es auf einmal ganz dunkel, der Regen wird zum Gewitter und ich bekomme Angst.
Ich blicke hinaus aus dem Fenster und lausche dem Hufgetrappel meiner Rappen. Gerade sind wir auf einer Lichtung als plötzlich, wie aus dem Nichts, ein greller Blitz den Wald erhellt. Auf der Lichtung ist nichts. Wie nichts? Kein Baum; kein einziger mehr. Erst jetzt wird mir klar, in was ich hier hineingeraten bin.
Die Pferde scheuen, brechen aus.
August schreit noch, er habe die Kontrolle verloren. Die Kutsche kippt um, ich schlage mit dem Kopf auf und mir wird schwarz vor Augen.
Am nächsten Morgen werden meine Leiche und die von August aus dem Wald getragen. Die Pferde sind verschwunden.
Meine Reise ist vorbei.